moments Magazin 06-21

FOTOS: PROSTOCK-STUDIO/ISTOCK/GETTY IMAGES, APOEVANDREY/ISTOCK/GETTY IMAGES Was waren deine Gründe für den Seitensprung? Mein Mann war beruflich viel unter­ wegs und hat sich auch optisch stark verändert. Ich persönlich achte sehr auf mich und mein Aussehen, mir ist das also dementsprechend wichtig. Natür­ lich wollte ich aufgrund meines Alters auch testen, ob ich noch gut in der Männerwelt ankomme. Aber im End­ effekt war ich unglücklich und das hat mein Mann gewusst, schließlich haben wir darüber gesprochen. Zu dem Zeit­ punkt waren wir 18 Jahre verheiratet. Und wie ist es dann passiert? Ich habe mir auf einer Dating-Plattform ein Profil erstellt, mich um ein paar Jah­ re jünger gemacht und sogar angegeben, dass ich verheiratet bin. Und dann haben sich eine Vielzahl an Männern bei mir gemeldet. Mit mehreren habe ich mich auf einen Kaffee getroffen, aber nur mit einem, er war jünger und selbst gebunden, wurde es ernster. Wie hast du dich dabei gefühlt? Ehrlich gesagt hatte ich kein schlechtes Gewissen, bis zu demMoment, an dem mich mein Mann darauf ansprach. Er wurde stutzig, weil ich ständig am Han­ dy war. Ich war dann sofort ehrlich. Aber während ich meinen Seitensprung traf, habe ich immer alles ausgeblendet. Ihr seid nach wie vor verheiratet – wie habt ihr das geschafft? Als mich mein Mann auf den Seiten­ sprung ansprach, war ich ehrlich und erleichtert, weil wir einen Grund hatten, unsere Ehe neu zu verhandeln. Und zwar mit Erfolg. Es hat ungefähr ein Jahr gedauert, indem mir mein Mann gele­ gentlich erzählte, dass er immer wieder daran denken müsse und darunter leide. Er wollte aber nie mehr wissen und hat auch nie direkt danach gefragt. Die Quintessenz aus dem Ganzen ist, dass wir nicht nur weit mehr als vorher gemeinsam unternehmen, sondern auch ehrlicher sind. Ich habe Konflikte immer gemieden, seitdem setze ich mich aber mehr für meine Bedürfnisse ein. Bereust du es? Nein, weil sich dadurch vieles geändert hat. Aber ich würde nie mehr etwas mit meinem Seitensprung anfangen. Ich interessiere mich nur für meinen Mann. mal M O M E N T Linda*, 50 ist nach 18 Jahren Ehe fremdgegangen gesetzt werden. Ganz wichtig: Das Paar muss sich aus der Täter-Opfer-Rolle befreien. Vor allem der verletzte Part­ ner darf sich, so schwer es auch fallen mag, nicht immer als Leidtragender sehen. Ist die Entscheidung für die Beziehung gefallen, muss man den Sei­ tensprung in der Vergangenheit lassen und weitermachen. „Der Betrogene muss den Schmerz verarbeiten, der Betrüger muss den Schmerz des ande­ ren hingegen anerkennen und zum Feh­ ler stehen“, rät die Expertin. Kino im Kopf. Die Aufarbeitung eines Seitensprungs ist schwer genug, doch oft funkt auch noch die eigene Fantasie dazwischen, sodass die Situati­ on unlösbar scheint. Stichwort Kopf­ kino. Diese Vorstellungen können nicht nur zwanghaft werden, sondern krank machen und die Realität verzerren. Ale­ xandra Marko-Hinteregger: „Gedanken spiegeln nicht das wider, was wirklich passiert ist. Je stärker ich ihnen glaube, desto schwerer fällt es mir, mit dem Thema abzuschließen.“ Besser ist es, die Fantasien beiseitezuschieben und, auch wenn es hart ist, nicht darüber nachzu­ denken. Im Endeffekt bringt es nämlich nichts, außer Leid. Versteckspiel. Was aber wirklich etwas bringt, ist schonungslose Ehrlich­ keit. Eine Partnerschaft hat dann Zukunft, wenn beide hart miteinander ins Gericht gehen können. Bedürfnisse, Ängste sowie Sehnsüchte müssen arti­ kuliert werden dürfen. So können Sei­ tensprünge manchmal sogar verhindert werden, denn oftmals leben Partner beim Fremdgehen das aus, was sie in der Beziehung nicht bekommen, weil Das schlimmste Szenario? Den Partner direkt beim Fremdgehen zu erwischen. 24 moments 6/2021 COVERSTORY

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