moments Magazin She Works 8-22

KARRIERE KARRIERE FOTOS: AMS OÖ, CARACTERDESIGN/E+/GETTY IMAGES, SABINE STARMAYR ARBEITSMARKT. Mehr als die Hälfte der beschäftigten Frauen arbeitet Teilzeit – und sie sind sich nicht bewusst, wie wenig Rente sie deshalb später bekommen werden, warnt Iris Schmidt vom AMS OÖ. INTERVIEW: JESSICA HIRTHE mehr vollzeit Wie hat sich der Arbeitsmarkt in OÖ seit der Pandemie entwickelt – speziell für Frauen? Wir beobachten einen sehr dynamischen Arbeitsmarkt – so dynamisch, dass wir es selbst nicht glauben können. Nach der Krise 2008/09 hat der Arbeitsmarkt fast drei Jahre gebraucht, um sich zu stabilisieren. 2020 gab es einen massiven Einbruch, aber 2021 hatte sich der Arbeitsmarkt schon wieder umgedreht. In OÖ haben wir jetzt ein AllzeitBeschäftigungshoch. Der Lockdown wurde auf den Schultern der Frauen gestemmt. Im ersten Pandemiejahr merkten wir einen starken Anstieg der Arbeitslosigkeit bei Frauen, geschuldet auch den LockdownBranchen, in denen vorrangig Frauen beschäftigt sind. Allerdings hat sich das mit zurückgenommenen CoronaRestriktionen schnell wieder stabilisiert. 2019 waren Frauen und Männer in der Arbeitslosenquote gleichauf, früher war ein klarer Männerüberhang. Jetzt hat sich das auch wieder gedreht und wir haben bei Frauen eine Quote von vier Prozent, bei Männern 4,4 Prozent. Mehr als die Hälfte der beschäftigten Frauen arbeitet Teilzeit – wie beurteilen Sie das? Es waren schon immer mehr Frauen in Teilzeit, aber auch mehr in Vollzeit. Mittlerweile sind jedoch viel mehr Frauen in Teilzeit als in Vollzeit. Das hat massive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Es wird notwendig sein, Maßnahmen zu treffen, um die Teilzeitquote Richtung Vollzeit zu verschieben – ohne natürlich jemanden in seinen persönlichen Umständen zu sehr zu belasten. Warum will man die FrauenVollzeitquote überhaupt heben? Weil das Arbeitskräftepotenzial einfach ausgeschöpft ist. Das Rekrutieren aus den Nachbarländern stößt auch an Grenzen. Es sind nicht genügend Arbeitskräfte für eine wachsende Wirtschaft vorhanden. Wo kriege ich also Arbeitskräfte her? Frauen, ältere Menschen, die wir länger am Arbeitsmarkt halten müssten, ungelernte Kräfte und Kranke. Dieses Potenzial muss man sich genauer ansehen – das wird in Zukunft noch viel wichtiger werden. Man spricht mittlerweile vom Arbeitnehmermarkt – welche Chancen birgt das? Es hat sich dermaßen gewandelt. Wir haben wesentlich mehr offene Stellen als vorgemerkte Arbeitssuchende. Der Arbeitsmarkt bietet aber noch viel mehr offene Stellen, die gar nicht bei uns gemeldet sind. Daraus ergibt sich natürlich, dass der Arbeitnehmer aus der breiten Vielfalt wählen kann. Es gibt einen Wettbewerb zwischen den Betrieben, den Branchen und den Regionen. Es geht heutzutage nicht nur ums Gehalt: Es geht um flexible Arbeitszeiten, das Arbeitsklima und auch sinnerfüllte Tätigkeit. Und die Arbeitnehmer erwarten sich ein Arbeiten auf Augenhöhe. Das ist eine riesengroße Chance auch für Unternehmen, um sich selbst zu reflektieren. Bewerber verabschieden sich derzeit mit: „Danke für das freundliche Gespräch, Sie sind als Unternehmen in der engeren Auswahl.“ Frauen stehen oft vor zusätzlichen Herausforderungen wie der Kinderbetreuung – wie reagieren Unternehmen darauf? Unternehmen versuchen, ihre Mitarbeiterinnen zu unterstützen: etwa mit an Kinderbetreuung angepassten Arbeitszeiten, Homeoffice, Förderprogrammen, Weiterqualifikation. Um auch neue Mitarbeiterinnen anzusprechen, werden mittlerweile immer mehr BetriebskinderbetreuungsStrukturen aufgebaut, teils schließen sich Unternehmen dafür auch zusammen. Das geht auch so weit, dass Unternehmen sagen: „Bitte nehmt die Kinder in der Früh mit zum Schichtstart um 6 Uhr morgens, sie bekommen dann dort ein Frühstück und werden dann mit gemieteten Bussen in die Schulen gebracht, dort auch wieder abgeholt, bekommen Mittagessen und haben danach Betreuung.“ Da sind Unternehmen mittlerweile sehr innovativ und mitarbeiterinnenorientiert. Einiges lassen sich Betriebe auch für Lehrlinge mit OnboardingProzessen einfallen, um sie im Unternehmen zu integrieren und eine langfristige Bindung zu erzeugen. Frauen haben häufig niedrigere Renten-Bezüge wegen Ausfallszeiten während der Kinderbetreuung oder Teilzeitarbeit. Ist das den Frauen bewusst? Es ist enorm, wie sich Berufsunterbrechungen auf die Pension auswirken. Rechenbeispiel: Eine Frau arbeitet Vollzeit 10 bis 15 Jahre, dann geht sie zwei Jahre in Karenz, danach kommt ein 20StundenJob für zwei Jahre und dann arbeitet sie bis zur Pensionwieder Vollzeit – ergibt eine Pension von 1.561 Euro. Geht sie nach der Karenz bis zur Pension nur noch 20 Stunden Teilzeit arbeiten, bekommt sie 600 Euro pro Monat weniger. Geht sie überhaupt erst wieder Teilzeit arbeiten, wenn die Kinder aus dem Haus sind, bekommt sie nur eine Pension von 545 Euro. Frauen sind sich dessen meist erst dann bewusst, wenn es zu spät ist. 18 SheWORKS | 2022 Zur Person: Iris Schmidt (49) aus Alkoven ist seit März 2017 stellvertretende Landesgeschäftsführerin des Arbeitsmarktservice OÖ. Nach Lehrabschlüssen als Kosmetikerin und Bürokauffrau schloss sie das Masterstudium „Internationale Beziehung“ ab. Sie arbeitete 13 Jahre in der Privatwirtschaft, davon drei in Führungsfunktion. 2004 wechselte sie zum AMS und war dort zunächst sieben Jahre als Beraterin tätig, bis sie die Leitung des „Ausländer_ innenfachzentrums“ in der AMS-Landesgeschäftsstelle in Linz übernahm.

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