moments Magazin 10-22

Als Koch haben Sie ziemlich alles erreicht, was man sich in dem Beruf erträumen kann. Was bedeutet er Ihnen? Mir war bereits als Kind bewusst, dass Lebensmittel ein kostbares Gut sind. Kochen verkörpert eine Bandbreite von ganz einfach bis luxuriös. Je mehrMenschenwir damit begeistern, umso größerwird ihr Interesse. Es ist wichtig, dass wirmöglichst vieleMenschen erreichen, um sie für das gute Essen zu begeistern! Wie definieren Sie „gutes Essen“? Ich bin in der Oststeiermark aufgewachsen, und da gab es keinen Supermarkt, wo man morgens mal schnell sein Joghurt holt. Bei unswurde einmal dieWoche Brot gebacken, im Holzbottich die Milch entrahmt, um die Bauernbutter daraus zu machen, zweimal im Jahr wurde geschlachtet – alles war ökologisch und durchdacht. Das gefiel mir zwar nicht immer und imSommer beispielsweise ist mir das Kirschenpflücken unheimlich auf den Zeiger gegangen, weil mir das zu langweilig war. Aber dann im Winter, wenn es Kaiserschmarrn gab und dazu die Kirschen aus dem Einmachglas, war das für mich ein Festessen, das ich nie vergessen werde. So habe ich schon sehr frühmitbekommen, was es bedeutet, Lebensmittel erst mal zu erzeugen. Und auch erfahren, wo diese herkommen, wie sie wachsen und was man alles darüber wissen muss. Sie haben mehr als 60 Kochbücher auf den Markt gebracht. Brandneu ist „Ein Leben für den guten Geschmack“. Nur wenige Monate zuvor haben Sie mit dem Arzt Matthias Riedl das Medical Cuisine Kochbuch geschrieben. Wie kam es zu der Zusammenarbeit? Durch die Überbeanspruchung in der Gastronomie habe auch ich Federn lassen müssen. Ich habemeinenKörpermalträtiert und Raubbau an ihm betrieben. Wie ich die ersten Wehwehchen wahrgenommen habe, habe ichmir gedacht, dass es doch nochwas anderes geben muss als Operation und danach Reha. Meine Ärzte haben mir beigebracht, mich vernünftig zu ernähren und bestimmte Übungen zu machen. Das habe ich mir zu Herzen genommen, lebe heute sehr bewusst und gebe meine Erfahrungen weiter. Die Tatsache, dass über 60 Prozent aller Erkrankungen mit falscher Ernährung zu tun haben, kann ich bestätigen. Sind Sie einer, der eher alles auf sich zukommen lässt oder ... Nein, also nein! Man muss für sein Glück auch etwas tun. Man muss bestimmte Dinge ernst nehmen, nicht von sich wegschieben und sich selbst organisieren: wenn es um die Gesundheit geht, aber auch um die Lebensform. Wenn ich jeden Abend drei Flaschen Wein trinke, bin ich falsch organisiert! Eine gewisse Form von Disziplin und das Ziel zu haben, möglichst lange Menschen glücklich zu machen oder selbst glücklich zu sein, ist sicherlich ein Weg, der motiviert. Bei mir jedenfalls ist es so. Wie kam es, dass Sie als Sterne-Koch Fernsehgeschichte geschrieben haben – Talent oder Zufall? Bei meinen Anfängen als Fernsehkoch, da gab es noch keinen Biolek, keinen Schuhbeck, da gab es niemanden. Ich bin selbst noch imDunkeln getappt – was ich richtig oder falsch mache. Zu Beginn hat man mir vorgeworfen: Dich versteht keiner, du sprichst viel zu schnell, du solltest zum Körperspracheseminar gehen etc. Irgendwann hat es mir gereicht und ich habe mich nicht mehr länger verunsichern lassen und bin meiner Linie treu geblieben. Ab da habe ich dann rasch gemerkt, dass das, was ich mache, die Leute auf lange Sicht interessiert und daraus so etwas wie eine Marke geschaffen – eine klare Zuordnung meiner Person. Denn ich möchte nie etwas machen, was meine Grundeinstellung zum Essen, Kochen und Genuss infrage stellt. v 30 moments 10/2022 EINFACH Kostbar. Aufgewachsen als steirischer Bauernbub und mit viel Selbstbewusstsein ausgestattet, konnte er früh die besten Köche als Lehrmeister für sich gewinnen. INTERVIEW VON FRIEDERIKE PLÖCHL Raffiniert Wer das Einfache nicht schätzt, kann das Raffinierte nicht genießen. Die Basis unseres Seins ist die Ernährung. l Johann Lafer Österreichischer Sterne- und TV-Koch FOTO: PETER HÖNNEMANN

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