moments Magazin 1-23

sollte immer ein Spezialist aufgesucht werden, der mit nur wenigen Handgriffen in der Regel zwischen „harmlos“ und „abklärungsbedürftig“ unterscheiden kann. Danach weiß der behandelnde Arzt in aller Regel schon sehr viel und hat zumindest eine Verdachtsdiagnose. Diese wird dann durch Röntgen- oder MRTUntersuchungen weiter abgeklärt. Das sollte – je nach erwartetem Verletzungsmuster – so schnell wie möglich erfolgen, da bei manchen Verletzungskombinationen ein rasches chirurgisches Einschreiten für den Patienten Vorteile bringt. Behandlungsmethoden. Eine Kreuzbandrekonstruktion ist heute ein minimalinvasiver Eingriff, der arthroskopisch durchgeführt wird. Jeder Patient möchte natürlich nach der „besten“ Methode operiert werden. Aber zu diesem Wunsch hat Florian Dirisamer eine ganz klare Ansage: „Die gibt es aber nicht! Es stehen uns unterschiedliche Techniken zur Verfügung und es ist immer individuell abzuwägen, welche die im Einzelfall sinnvollste ist. Je nach Charakter der Verletzung, dem sportlichen Belastungsprofil oder auch der beruflichen Tätigkeit haben unterschiedliche Methoden Vor- oder Nachteile. Am häufigsten verwenden wir die Semitendinosussehne und die Quadricepssehne als Transplantate zur Rekonstruktion, die Patellarsehne bei Erstoperationen eher selten, dafür aber häufiger bei wiederholter Verletzung. In Einzelfällen werden auch Spendertransplantate verwendet. Die früher propagierten Kunstbänder sind heute obsolet, die funktionieren nicht. Eine Kreuzbandplastik hat also nichts mit einem Plastik-Kreuzband zu tun, sondern meint den Ersatz des gerissenen Bandes durch ein anderes biologisches Material wie etwa eine Sehne.“ moments 1/2023 155 Life FOTOS: PORNPAK KHUNATORN/ ISTOCK /GETTY IMAGES PLUS, PRIVAT 154 moments 1/2023 Life Fachkompetenz. Wir machten uns auf die Suche nach Experten für Antworten auf die brennendsten Fragen rund um das Knie und haben diese bei den Unfallchirurgen und Sportorthopäden der Praxisgemeinschaft MOVE im Schloss Puchenau bei Linz gefunden. Besonders dem gehäuften Auftreten von Knieverletzungen bei Skiunfällen wollten wir auf den Grund gehen. Neben den Band- und Meniskusverletzungen gibt es natürlich noch diverse Knochenbrüche – allen voran der Schienbeinkopfbruch, der beim Skifahren sicher am häufigsten auftritt. Gott sei Dank selten sind schwerste Kombinationsverletzungen wie die Knieluxation, wo im Knie quasi alle Bänder kaputtgehen, oder Risse der Patella- oder Quadricepssehne. Das passiert einerseits durch Stürze mit hoher Energie, wie wir sie vom Skirennsport kennen, andererseits auch ganz häufig durch sehr unspektakuläre Ereignisse. Dazu zählt etwa auch der Klassiker der „blöd gelaufenen Unfälle“ wie Umfallen beim Anstellen zum Lift, wo dann meist im Falle einer Verletzung des vorderen Kreuzbandes der Mechanismus fast immer eine Kombination aus Verdrehung und Einknicken des Beins in die X-Stellung ist. Schmerz lass nach! Zuwarten und heroisch mit Schmerzen herumhumpeln sind mit Sicherheit keine guten Strategien, denn alle Verletzungen, die mit anhaltenden Schmerzen und/oder Schwellung einhergehen, sollen unbedingt ärztlich begutachtet werden. Der Orthopäde Florian Dirisamer ist der Ansicht, dass Patienten da in aller Regel ein recht gutes Gespür dafür haben, ob „etwas Größeres“ passiert ist. Interessant ist, dass Patienten nach einem Kreuzbandriss recht unterschiedliche Szenarien erleben. Manche erleben den Riss als unmittelbar einschießenden Schmerz und wissen genau, dass etwas passiert ist, andere haben quasi weder heftige Schmerzen noch kaum eine Schwellung, bemerken aber eine Instabilität. Im Zweifel Fallbesprechungen im Team und fachlicher Austausch sind den Kniespezialisten wichtig – auch operiert wird meistens gemeinsam. Tipps ANGEPASST FAHREN Die Geschwindigkeit entsprechend den Bedingungen (stark) reduzieren, Abstand zu Hindernissen und anderen Pistenbenützern halten. MATERIAL CHECKEN Kanten schleifen und Skibindung im Fachhandel einstellen lassen, auf der Piste Helm tragen. AUFWÄRMEN Vor der ersten Abfahrt und nach jeder längeren Pause – das aktiviert nicht nur den Körper, sondern auch die Sinne. PAUSEN MACHEN Wer sich überanstrengt, ermüdet und macht Fehler. FIS-REGELN EINHALTEN Die FIS-Verhaltensregeln ordnen das Miteinander auf der Piste. EIGENKÖNNEN VERBESSERN Ein zentraler Faktor in der Unfallvermeidung ist eine solide Fahrtechnik. ÖSVInstruktoren und Skilehrer sind darin ausgebildet, Fehler in der Ski- bzw. Snowboardtechnik zu erkennen und helfen, diese zu beheben. Die Kreuzbänder sind der sogenannte Zentralpfeiler und sta- bilisieren das Knie nach vorne und hinten, sodass der Oberschenkelknochen sich nicht gegenüber dem Unterschenkel verschieben kann. Sie sind auch das Drehzentrum im Knie. ä Die Prognose nach Kreuzbandriss hängt sehr stark von Begleitverletzungen ab. Meniskus- oder Knorpelschäden können zu einer frühzeitigen Arthrose führen. Eine rechtzeitige Stabilisierung kann Folgeschäden verhindern. l Dr. Christian Patsch Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie mit Zusatzfach Sportorthopädie vom österreichischen Skiverband

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