moments Magazin 1´4-23

146 moments 4/2023 FOTOS: DIETERMEYRLL / ISTOCK /GETTY IMAGES PLUS Life FOTO: OÖ LANDESJAGDVERBAND Der Klimawandel und die damit verbundenen Veränderungen stellen die Jagd vor enorme Herausforderungen. Wie reagieren Sie darauf? Die Dramatik hat sich bereits vor geraumer Zeit abgezeichnet und wir als Landesjagdverband haben uns mit der oberösterreichischen Jägerschaft darauf vorbereitet. Aber jetzt werden wir von den Auswirkungen des Klimawandels auf unsere Wälder eingeholt. Das erfordert auch für uns Jäger ein Umdenken und stellt uns vor Herausforderungen. Insbesondere für die Fichte, den „Brotbaum“ der heimischen Forstwirtschaft, wird es angesichts immer länger dauernder Trockenphasen eng. Auch die parasitäre Belastung der heimischenWildtiere steigt dadurch stark an. Die Rolle der Jägerinnen und Jäger als Hüter der Biodiversität und alsAnwälte derWildtiere und ihrer Lebensräume ist aktuell wichtiger denn je. Denn das Bewusstsein allein reicht nicht – es braucht Taten. Es braucht Menschen, die die Basis für eine optimaleNutzung des Waldes für Pflanzen, Mensch und Tier schaffen. Welche Änderungen braucht es in der Waldbewirtschaftung? Man muss von großflächigen Monokulturen abgehen und mehr in Richtung klimafitten Mischwald gehen. Mit dem Umstieg füllt man auch die Speisekammer Wald. Denn die Jungtriebe, wie von der bei uns natürlich vorkommenden Tanne sowie vieler Laubbäume, sind für dasWild ein Festschmaus. Um das ökologische Gleichgewicht in unserer Kulturlandschaft wiederherzustellen, ist der Schulterschluss vonseiten der Jagd, der Forst- und Landwirtschaft dringender denn je. Die biologische Vielfalt und Leistungen von Ökosystemen sind für das Überleben der Menschen essenziell. Welches Verhalten der Menschen ist in der Natur besonders störend oder sogar schädlich? Vielerorts wird der Wald regelrecht gestürmt – aber die nötige Rücksichtnahme ist oft nicht mit im Wanderrucksack. Ich verstehe als langjähriger Jäger und absoluter Naturmensch das Bedürfnis, gerade in schwierigen Zeiten wieder Kraft zu tanken. Dagegen spricht auch gar nichts. Leider fehlt manchen die entsprechende Akzeptanz und Beachtung der Ruhebedürfnisse der Wildtiere. Sogar die so wichtige Nachtruhe unserer Wildtiere wird immer öfter gestört. Es braucht endlich entsprechende Lenkungsmaßnahmen. Denn ohne eine ökologische Raumplanung, die auch gesetzlich entsprechend verankert ist, wird eine Harmonisierung der vielen Nutzeransprüche schwierig und ein gedeihliches Miteinander zwischen Mensch, Wildtier und Natur kaum zu schaffen sein. Wandergruppen, die auf markierten Routen unterwegs sind, sind für das Wild eher vorhersehbare Ereignisse und vergleichsweise harmlos. Besonders kritisch kann es mit Paragleitern, Drachenfliegern, Mountainbikern und Orientierungsläufern werden. Diese Sportarten verursachen plötzliche und überraschende Störungen, die das Fluchtverhalten vonWildtieren leicht zu energieaufwendigen Panikreaktionen werden lassen. Auch der Zivilisationsmüll kann fürWildtiere schnell lebensgefährlich werden. E X P E R T E N Interview Jagdliches Wissen Das Wissen um die verschiedenen Wildarten in unserer Kulturlandschaft ist wichtig, damit seltene Arten gefördert und Kulturfolger reguliert werden können und so eine ökosystemgerechte Bejagung durchgeführt werden kann. Kinderstuben respektieren. Wald und Feld, Hecke und Rain, Wiese und Feuchtgebiet sind Kinderstube und Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Der Nachwuchs von Füchsen, Wildschweinen, Stockenten und Hasen ist bereits vor einigen Wochen auf die Welt gekommen, wobei Letztere mehrmals im Jahr gebären. Die Jungen von Hirschen, Gämsen und Rehen werden jetzt im Mai gesetzt. Die kommenden wärmeren Temperaturen locken wieder vermehrt Spaziergeher und Freizeitsportler in die Natur. Wildbiologe Christopher Böck ruft zur Rücksichtnahme auf: „Jungtiere auf keinen Fall angreifen. Denn hat der Mensch ein Jungtier berührt, wird dieses von der Mutter oft nicht mehr angenommen. Es handelt sich um keine Findelkinder, die Tiereltern sind meist nicht weit entfernt. Rehkitze sind leider besonders gefährdet, auch durch das Mähwerk landwirtschaftlicher Maschinen“. Zahlreiche Jäger investieren hohen und unbezahlten Zeit- und Arbeitsaufwand, um die Kleinen zu retten. Die Setzplätze der Rehgeißen liegen vorwiegend in Waldrandzonen. In Gebieten mit starker Wald-Feld-Gliederung setzt ein großer Teil der Geißen seine Jungen auch in Wiesen und teilweise in Feldern. Bereits einen Monat vor der Geburt suchen sie sich ihren Setzplatz und verteidigen diesen – auch gegen andere Geißen. Ist der Setzplatz einmal gewählt, wird er, unabhängig von der Witterung, beibehalten. Bestimmte Setzplätze werden von den Geißen sogar Jahr für Jahr aufgesucht. Besonders in der Morgen- und Abenddämmerung brauchen unsere Wildtiere ruhige Äsungs- bzw. Fressmöglichkeiten. Während des Tages ziehen sich viele Wildtiere in Ruhezonen zurück. Daher bitte auf keinen Fall stören oder aufschrecken. Infos unter: www.fragen-zur-jagd.at oder www.ooeljv.at Wir bitten die nicht jagende Bevölkerung, die Wildtiere nicht zu stören. Aufgefundene Jungtiere dürfen auf keinen Fall angefasst werden. l Christopher Böck Wildbiologe und Geschäftsführer OÖ Landesjagdverband In einer noch nie da gewesenen Herausforderung wie der Klimakrise braucht der Wald die Unterstützung durch die menschliche Hand noch stärker als früher. l Herbert Sieghartsleitner Landesjägermeister, Land- und Forstwirt www.ooeljv.at moments 4/2023 147 Junge Gämsen genießen ihr Leben im Rudel in den Alpen.

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