moments Magazin OÖ

moments 6/2024 27 Work 26 moments 6/2024 Work Für die einen ist sie eine Heldin, die im Sinne kommender Generationen gehandelt und dem Koalitionspartner ÖVP drei Monate vor der Nationalratswahl „eine in die Gosch’n g’haut“ hat, wie es ein ehemaliger Kommunikationsmitarbeiter der SPÖ auf X (ehemals Twitter) formuliert hat. Für die anderen ist sie schlicht eine Gesetzesbrecherin, die vorsätzlich gegen die Verfassung sowie die Interessen Österreichs agiert und daher die rechtlichen Konsequenzen zu tragen habe. Klimaschutzministerin Leonore Gewessler, grünes Aushängeschild und gleichzeitig Feindbild der Bauern und Wirtschaft, stimmte im Rat der Umweltministerinnen ohne Billigung der Bundesländer für das EURenaturierungsgesetz. Europa will mit dieser Verordnung als erster Kontinent weltweit den Rückbau der Natur zur gesetzlichen Pflicht machen und geschädigte Ökosysteme wieder in einen guten Zustand bringen. Das bedeutet: Mehr Grünraum für Städte, Flüsse streckenweise deregulieren, Moore wiederherstellen und zudem mehr Rückzugsräume für Insekten und Vögel in Ackerbaugebieten schaffen. Politik: Feindbild Grüne. Für diesen Alleingang setzte sich Gewessler ein Denkmal in der eigenen Partei. Sie löste damit aber auch eine veritable Regierungskrise aus und handelt sich eine Amtsmissbrauchsklage ein. Bundeskanzler Karl Nehammer hat zudem eine Nichtigkeitsbeschwerde beim Europäischen Gerichtshof angekündigt. „Da verwechselt jemand einen EU-Ministerrat mit einer NGOVeranstaltung“, ätzte der oberösterreichische Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner und spielt damit auf ihren Job als Geschäftsführerin der Umweltorganisation Global 2000 an, den die gebürtige Grazerin vor ihrer politischen Karriere fünf Jahre lang innehatte. Eine grüne Aktivistin auf einem so wichtigen Ministerposten war von Anfang an ein rotes Tuch. Erst kürzlich zog die Ministerin mit ihrem Gesetzesentwurf für den Ausstieg aus dem Russengas bis 2028 Kritik aus der Industrie auf sich. Andererseits tobten Umweltorganisationen über ihre Zustimmung für den Import von umweltschädlichem FrackingGas. „Man wird nicht gewählt für das, was man verhindert hat. Man braucht eine Offensiverzählung“, sagt der Politikberater Thomas Hofer. Die Grünen wollen raus aus dieser Doppelmühle und dem Umfragetief. Dafür bot sich mit der Abstimmung zum Renaturierungsgesetz drei Monate vor der Nationalratswahl eine gute Gelegenheit. Sichtbare Veränderungen. So paradox es klingen mag: Diese ungeliebte schwarz-grüne Koalition, die 2019 mit „das Beste aus beiden Welten“ angetreten und heute zu „den Resten aus beiden Welten“ verkommen ist, brillierte streckenweise mit bemerkenswert solider Sachpolitik. Als größter Wurf aus energiepolitischer Sicht gilt das im Juli 2021 beschlossene Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG). Das Prestigeprojekt ist die Rechtsgrundlage für die Energiewende im Strombereich und wird sowohl von NGOs als auch von Branchenvertretern sowie der Wirtschaft positiv beurteilt. Im Jahr 2030 soll Österreich seinen Strombedarf zur Gänze aus einem Mix erneuerbarer Quellen – Wind, Wasser und Sonne – erzeugen. Mit enormen Fördersummen und der Angst im Nacken vor einer neuen Energiekrise ist man diesem Ziel deutlich nähergekommen. Seit 2020 wurden 21,4 Milliarden Euro in den Klimaschutz investiert. 5,7 Milliarden Euro stehen bis 2030 für Unternehmen bereit, die auf klimaneutrale Produktion wechseln, davon allein drei Milliarden für die Umstellung von Industrieanlagen, die mehr als 15.000 Tonnen CO2 pro Jahr ausstoßen. Sichtbar wird dieser Wandel an neuen Windkraft- sowie Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern. Allein Oberösterreich zählt in seinem druckfrischen Energiebericht für 2023 mehr als 108.000 PV-Anlagen, das Ziel sind 200.000 Anlagen bis 2030. Auch die Hälfte aller österreichischen Energiegemeinschaften befindet sich in Oberösterreich. Warum ist die Energiewende gut und richtig? „Weil sie eine Win-win-Situation ist“, sagt EnergieLandesrat Achleitner. Gewinner sei nicht nur das Klima, auch die Energiebranche, die Bürger und die Unternehmen würden profitieren. Bei Firmen wird Nachhaltigkeit mit Kostenreduktion verbunden, weil Sonnenstrom meist für den Eigenverbrauch genutzt wird. Die Eurothermen in Bad Schallerbach erzeugen mit der größten Parkplatz-Photovoltaik-Anlage des Landes 15 Prozent des Gesamtstrombedarsf der Therme in einem Jahr. Energiewende ist unumkehrbar. Die grüne Energie-Revolution ist in vollem Gange – und sie ist nicht aufzuhalten. Der phänomenale Aufstieg sauberer Energietechnologien wie Solarkraft, Windkraft, E-Autos Es tut sich was: Allein Oberösterreich zählt in seinem druckfrischen Energiebericht für 2023 mehr als 108.000 PV-Anlagen – das Ziel sind 200.000 Anlagen bis 2030. ä Klima-Fighterin Leonore Gewessler: Die Ministerin sei bei ihrem Abstimmungs-Alleingang in die alte Rolle als „Global 2000“-Aktivistin zurückgefallen, sagen Kritiker. FOTOS: MARTIN JUEN / SEPA.MEDIA / PICTUREDESK.COM, ZHONGGUO / E+ / GETTY IMAGES, FAHRONI / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS

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