moments Magazin 05-21

26 moments 5/2021 COVERSTORY FOTOS: KATARZYNABIALASIEWICZ/ ISTOCK/GETTY IMAGES PLUS, SEJKORA: PRIVAT kamen in Bedrängnis. Plötzlich waren sie nicht mehr die alleinigen Ernährer der Familie und nicht nur das! Frauen stießen Schritt für Schritt bis in die letzten Bastionen der Männlichkeit vor. Viele der Männer, die zu Dr. Klaus Sej- kora in die Praxis kommen, tun sich schwer mit der veränderten Rolle der Frau. „Frauen sind eigenständiger geworden, sie brauchen nicht mehr unbedingt einen Mann, um leben, auch um gut leben zu können. Früher war das Alleinsein schon sehr angstbesetzt für viele Frauen. Männer müssen jetzt mit etwas zurechtkommen, womit sie nicht gerechnet haben, nämlich auch alleine zu leben“, so der Psychologe. Gewaltiges Problem. Gerade der „alte, weiße Mann“ hat heutzutage mit Imageproblemen zu kämpfen. Er ist schuld an den großen Übeln der Welt wie Krieg, Ungleichheit, Unterdrü- ckung der Frau. Unerschütterlich sitzt er an den Hebeln der Macht. Die Tat- sache, dass wir im Mai 2021 in Öster- reich den 11. Frauenmord schreiben und die Täter jeweils Partner oder Ex- Partner waren, ist ein weiterer Hinweis darauf, dass wir es hier mit einem sub- stantiellen gesellschaftlichen Problem zu tun haben. Es scheint offensichtlich, dass ein Zusammenhang zwischen den vorherrschenden Rollenbildern und geschlechtsbezogener Gewalt besteht. Verschärfend wirkt, dass betroffene Frauen immer noch nicht ausreichend geschützt werden. Hier liegt der Ball aber bei der Politik. Mit welchen Problemen kom- men Männer zu Ihnen? Die Männer kommen in erster Linie mit Beziehungsproblemen. Auch wenn sie mit Ängsten oder Depressionen kommen, stehen häufig Beziehungs- probleme im Hintergrund. Allein in Österreich wurden in diesem Jahr bisher schon 11 Frauen ermordet – warum pas- siert so etwas? Das „passiert“ nicht – Männer TUN so etwas! Wir alle haben Rollenbilder im Kopf und das traditionelle Rollenbild des Mannes ist: Im schlimmsten Fall muss man Probleme mit Gewalt lösen. Wenn das Reden nicht gelingt … Ich kann nicht zählen, wie viele Män- ner zu mir gesagt haben: „Wissen Sie, reden ist nicht so meins. Sie will immer reden, aber ich wüsste nicht, worüber ich reden soll.“ Eine Standardsituati- on von vielen Paaren. Ich denke, es braucht einen gesellschaftlichen Para- digmenwechsel, dass Gewalt schon im Kleinen anfängt, schon bei verba- ler Gewalt, bei Beschimpfungen, beim Schreien. Und zweitens, dass Gewalt keine Lösung für Konflikte ist. Dass Konflikte etwas ganz Normales sind, aber dass es gewaltfreie Möglichkeiten gibt, diese Konflikte zu lösen. Warum haben Männer so eine hohe Suizidrate? Weil Männer mit Hilflosigkeit ganz schlecht umgehen können. Da ist genauso das Gewaltthema. Ob ich in meiner Hilflosigkeit meine Gewalt gegen einen anderen Menschen rich- te oder gegen mich selbst, macht im inneren Mechanismus, in der inneren Dynamik keinen Unterschied. Nie- mand ist gerne hilflos und doch sind wir es alle immer wieder. Gewalt heißt immer, ich will die Hilflosigkeit nicht ertragen. Ich bin hilflos, weil meine Frau einen anderen hat, hilflos, weil meine Frau sich scheiden lassen will. Klar sind wir da hilflos, aber das ist so ein Mythos, man darf nicht hilflos sein. Das ist wahrscheinlich etwas, das man einer Frau eher zuge- stehen würde … Ja. Das wird dann als Schwäche bezeich- net und Frauen dürfen ja schwach sein. mal M O M E N T Dr. Klaus Sejkora Praxis für Psychologie Linz

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