moments Magazin 3-22

24 moments 3/2022 Coverstory D iese Situation kennt wohl jeder: Man wird von einem Freund oder Kollegen mit ei- ner Bitte oder Einla - dung überrascht und bevor man sich die Sache zweimal überlegen kann, hat man auch schon zugesagt. Sobald das Gespräch beendet ist, ist man richtig wütend auf sich selbst. Eigentlich hat man ja gar keine Zeit oder wirkliche Lust darauf. Und das Ja war eher ein antrainierter Reflex als eine wirkliche Zusage. Gleichzeitig weiß man, dass man bei einem Nein als Antwort ein furchtbar schlechtes Gewissen hätte – es ist ein wahrer Teufelskreis. Angst vor Zurückweisung . Ein Nein kommt uns meist viel schwerer über die Lippen als ein Ja. Aber warum eigentlich? „Einer der Hauptgründe ist mit Sicherheit die Angst, nicht mehr gemocht zu wer- den. Viele Menschen fürchten sich davor, durch das Neinsagen ihre Zugehörigkeit zu verlieren. Sie wollen außerdem nicht egoistisch wirken und versuchen daher, die Bedürfnisse anderer über ihre eigenen zu stellen“, erklärt Psychotherapeut und Coach Werner Walisch. Auch der Wunsch nach Bestätigung spielt dabei eine Rolle. Gerne stehen wir vor anderen als starke Alleskönner da, die vor keiner Aufgabe oder Bitte zurückschrecken und immer al - les erledigen. Mit Sätzen wie „Du bist der Einzige, der diese Aufgabe übernehmen kann“ wird uns dann noch Honig ums Maul geschmiert. Tief verankert . Dieses Bedürfnis, sich in einem sozialen Gefüge anpassen zu wollen, stammt noch aus der Steinzeit, wie Mindful Leadership Coach Nina Hai - dinger erklärt. „Von Beginn an haben wir gelernt, Aufmerksamkeit mit Liebe zu as- soziieren. Konnte man mit irgendetwas die Aufmerksamkeit der Eltern auf sich ziehen, war es weniger wahrscheinlich, angegriffen oder verletzt zu werden“, so Haidinger. „Wenn wir also Nein sagen, fürchtet unser Gehirn, dass wir nicht mehr gemocht werden, uns niemand mehr Be- achtung schenkt und unser Überleben in Gefahr ist“, führt die Expertin aus. Diese Assoziation hat sich tief in unser Unterbe- wusstsein eingeprägt und bestimmt unser Verhalten bis heute. Frauenproblem ? Auch wenn man glau- ben könnte, dass Frauen vielleicht ein noch größeres Problem mit dem Neinsagen haben als Männer, so betrifft dieses Ver - halten doch jeden Menschen – unabhän - gig vom Geschlecht. „Ich bemerke dieses Problem bei vielen meiner Kunden – egal ob Mann oder Frau. Natürlich werden Frauen oft in eine Rolle gedrängt, in der sie brav und artig sein müssen und jedem gefallen sollen. Doch auch Männer finden sich oft in Situationen wieder, in denen sie aus sozialem Druck oder einer gewissen Erwartungshaltung heraus Ja sagen und es später bereuen“, erklärt Haidinger. Es kommt also vor allem auf die Situation an: Während es einigen Menschen schwe- rer fällt, berufliche Aufgaben abzulehnen, wenn sie bereits ausgelastet sind, kämpfen andere damit, in ihrem privaten Umfeld ein ehrliches Nein auszusprechen. Wir müssen lernen, uns selber noch zu mögen, auch wenn uns vielleicht eine andere Per- son nicht mehr mag. l Nina Haidinger, Mindful Leadership Coach www.ninahaidinger.com

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