moments Magazin 3-22

26 moments 3/2022 Coverstory Inwiefern hängt das eigene Selbst- bewusstsein mit der Fähigkeit, Nein zu sagen, zusammen? Neben anderen Gründen spielt das Selbstbewusstsein natürlich eine wichtige Rolle in dieser Thematik. Menschen, die ein schwaches Selbstbewusstsein haben und ihre eigenen Bedürfnisse nicht wahr- nehmen, tendieren dazu, etwas zuzustim- men, obwohl sie es gar nicht wollen. Sie schaffen es oft nicht, Grenzen zu setzen, und glauben an ein Wertesystem, in dem die Bedürfnisse anderer vor ihren eigenen stehen. Ist es ratsam, ab und zu einen Kom- promiss einzugehen, wenn man es nicht schafft, Nein zu sagen? Kompromiss ist ein schwieriger Begriff, ich würde es eher als Balance bezeichnen. Man macht zum Beispiel ein Zugeständ- nis, doch auch von der anderen Seite wird ein Schritt zur Mitte gemacht. Das Geben und Nehmen sollte sich im Gleichgewicht befinden. Alternativ kann man die „Teil- Ja-Teil-Nein“-Methode anwenden. Man bleibt zwar bei seinem Nein, versucht aber trotzdem eine gemeinsame Lösung zu finden. Ist die Angst vor dem Nein auch ein modernes Problem? Oft hängt das Jasagen mit dem Gedanken zusam- men, etwas zu verpassen? Ich glaube, es hat eher etwas mit der Le - bensphase zu tun als mit dem Zeitalter. Diese hat es schon immer gegeben. Junge Menschen tendieren aber eher dazu, bei vielen Sachen zuzusagen und mit dabei zu sein, obwohl sie es vielleicht gar nicht wollen. Ältere Menschen haben meist schon ihre Erfahrungen gemacht und ha- ben nicht mehr so viel Angst, etwas zu verpassen. Wie kann man ein Ja, das man im Nachhinein bereut, in ein Nein ver- wandeln? Der Schlüssel lautet offene Kommunika - tion. Man sollte in dieser Situation ganz offen sagen, dass man es sich noch ein - mal überlegt hat und es doch nicht geht. Damit erhält auch die andere Person eine Antwort, die wirklich ehrlich gemeint ist und versteht das Nein besser. Werner Walisch Psychotherapeut, Coach und Paartherapeut www.werner-walisch.at I N T E R V I E W in mir aus? Sind wir trotzdem noch Freun - de? Mit der Zeit lernt das Gehirn, dass auch die negative Reaktion eines anderen keinen Weltuntergang bedeutet“, so Hai- dinger. Und gelingt das Neinsagen einmal nicht, ist das noch lange kein Grund, unzu- frieden mit sich selbst zu sein. „Ich glaube, wir müssen uns selbst gegenüber oft mehr Mitgefühl entgegenbringen. Alles, was mit Druck geschieht, braucht noch länger und ist viel mühsamer“, rät Haidinger. Die Zeitmethode . Sich in Ruhe Zeit für die Frage zu nehmen und sich die Sache ausführlich durch den Kopf gehen zu lassen, dazu rät auch Werner Walisch. Dieses schnelle Jasagen rührt nämlich oft auch daher, dass wir uns keine Zeit nehmen, die Anfrage wirklich zu über - denken. Wird man also mit einer Anfra - ge überrascht, ist es sinnvoll, erst um ein bisschen Zeit zu bitten. „Außerdem kann es helfen, sich in dieser Situation eine Waage vorzustellen: Geben und Nehmen sollten dabei im Gleichgewicht stehen. Ist die Person, die mich gerade um etwas bittet, jemand, der auch mir immer wie - der hilft, oder bin ich immer derjenige, der mehr gibt, als er zurückbekommt?“, erklärt er. Auch der Wert der eigenen Zeit sollte dabei miteingerechnet wer- den. Wie viel ist mir eine Stunde wert? Brauche ich diese Ressourcen eigentlich für etwas anderes? HÄTTE ICH DOCH NEIN GESAGT. Zu schnell zugesagt und später bereut: So geht es vielen, wenn sie überraschend um etwas gebeten werden. FOTOS: ALASHI/ DIGITALVISION VECTORS/GETTY IMAGES, PRIVAT, OATAWA/ISTOCK/GETTY IMAGES PLIUS, FIZKES/ISTOCK/GETTY IMAGES PLUS, DREI WOLLEN DURCHBLICK ä

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