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moments 8/2023 67 FOTOS: BOJANSTORY/E+/GETTY IMAGES, PRIVAT E X P E R T E N Interview Aleš Svoboda Sexualtherapeut und Sexualpädagoge www.sexmed.at ACHTSAMKEIT – DAS GEBOT DER STUNDE Was zeichnet ein gesundes Sexualverhalten aus? Das Unwohlsein im eigenen Körper zählt zu den häufigsten Ursachen für sexuelle Probleme. Ein zufriedener Zugang zum eigenen Ich, zum Körper, aber auch zur psychischen Gesundheit ist die allerbeste Voraussetzung für guten und erfüllten Sex. Das ist oft leichter gesagt als umgesetzt, aber man kann stetig daran arbeiten. Lustlosigkeit kann ein Symptom für psychische Erkrankungen sein: Wie sieht es umgekehrt aus? Tatsächlich kann auch ein promiskes oder aggressives Sexualverhalten ein Anzeichen für fehlende psychische Stabilität sein. Gerade Männer nutzen extremes Masturbieren oder häufige One Night Stands oft als Pflaster gegen Einsamkeit. Prinzipiell kann man sagen, dass ein Sexualverhalten, das sich am jeweils anderen Ende der Skala abspielt, also zu viel oder zu wenig, immer mit psychischen, sozialen oder körperlichen Problemen einhergeht. Verschwindet psychisch bedingte Unlust, beispielsweise ausgelöst durch Depressionen, mit der richtigen Behandlung? Ja! Zuallererst muss der Kern des Problems, in diesem Fall die Erkrankung, behandelt werden. Braucht es dann noch Strategien, erarbeiten wir in der Sexualtherapie Ansätze und Lösungen. Niemand mit einem sexuellen Problem ist verloren! pendelte sich die Lage aber wieder ein und Nadines Orgasmusfähigkeit kehrte zurück. Nicht pauschalisieren. „Was wir jedoch nicht vergessen dürfen, ist, dass über psychische Erkrankungen keine pauschalen Aussagen getroffen werden können“, so Sexualtherapeut Svoboda. Heißt: Nicht jeder, der an einer Depression oder Angststörung leidet, ist auch automatisch von einer sexuellen Dysfunktion betroffen. Und auch Antidepressiva wirken sich bei jedem individuell aus. „Das Schöne an der Sexualität ist ihre Komplexität. Für jedes Problem gibt es einen richtigen Lösungsweg. Manchmal muss eben an anderen Stellen geschraubt werden“, appelliert der Experte. Sexuelle Freiheit. Carina kann diese Aussage unterstreichen. Durch die richtige Therapie lernt sie langsam, aber sicher den Weg in die sexuelle Freiheit. „Ich verspüre sogar wieder Lust und kann die Zärtlichkeiten mit meinem Freund genießen“, zeigt sich die Studentin hoffnungsvoll. Auch Nadines Sexleben ist mittlerweile wieder auf demselben Niveau: „Ich habe wirklich überlegt, die Antidepressiva abzusetzen, bin aber froh, meiner psychischen Gesundheit den Vorrang gegeben zu haben.“ Wie sie gelernt hat, damit umzugehen? „Ich habe mir selbst den Druck genommen, eine Sexpause eingelegt und akzeptiert, dass ich meinen Körper ganz neu kennenlernen musste“, so die Grazerin. v

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