moments Magazin 04-21

FOTOS: DJELICS/E+/GETTY IMAGES, ARYA SHIRAZI mal M O M E N T Anna Wilken Content Creator @anna.wilken Wie ist es dir nach der Fehlge- burt ergangen? Die Fehlgeburt war für mich das Schlimmste, das ich je erlebt habe. Der Verlust tut mir bis heute weh und ich wünsche es wirklich keiner Frau. Es war keine schöne Zeit für uns als Paar, aber es hat uns auch näher zusammengebracht. So schlimm es auch war, es hat mir trotzdem gezeigt, dass es „klappen kann“. Ich bin einmal schwanger geworden und das sogar auf natür- lichem Wege. Was wünscht du dir von der Gesellschaft? Ich wünsche mir, dass der unerfüll- te Kinderwunsch kein Tabuthema mehr ist und dass die Gesellschaft ihren Zugang zum Bild einer Fami- lie ändert. Paare, die sich gegen ein Baby entscheiden, sind genauso vollkommen. Das Gleiche gilt für gleichgeschlechtliche Paare, die Kinder wollen oder nicht. Ich ver- stehe nicht, wieso man sich für so vieles rechtfertigen muss. Vor kurzem ist dein neues Buch „Na, wann ist es denn so weit?“ erschienen. Wie kam es dazu? Für mich war von Anfang an klar, dass ich zu diesem Thema ein Buch schreiben möchte. Einfach um noch mehr aufzuklären und Men- schen zu erreichen. Ich möchte damit jetzt kein Guru sein, es gibt kein Rezept. Jeder Kinderwunsch ist anders und genau darauf möch- te ich aufmerksam machen. Viele bekommen vermittelt, dass sie alles probieren müssen. Dabei müssen wir gar nichts, können aber vieles. ganz normal“, meint die Psychothera- peutin Anja Gutmann. Die Expertin rät, den Stress zu nehmen, indem er akzep- tiert wird. „Das ist einfach eine ange- messene Reaktion auf eine schwierige Situation. Und es ist ein Thema, bei dem sich Frauen gerne selbst die Schuld geben. Hier gilt es, entgegenzuwirken“, erklärt Gutmann. Die Schuldfrage. Dabei docken wir bei einem Problem an, das viele Frauen verzweifeln lässt. Das weibliche Geschlecht sucht die Schuld generell gerne bei sich, bei einem unerfüllten Kinderwunsch kann dies aber verhee- rende Auswirkungen haben: Viele Frau- en glauben, dass etwas nicht mit ihrem Körper stimmt. Sie sehen ihn als Bau- stelle, der nicht richtig funktioniert. „Der weiblichste aller Akte ist die Schwangerschaft. Gibt es dabei Proble- me, wird die eigene Weiblichkeit in Fra- ge gestellt“, so die Therapeutin. Das macht Frau (leider) selbst, aber auch die Gesellschaft. Gutmann dazu: „Doch Schwangerwerden ist keine Leistung, sondern hängt mit den Umständen zusammen. Es ist Glück oder Schicksal.“ Hilfe von außen. Und weil das eben so ist, ist es keine Schande, Hilfe von außen in Anspruch zu nehmen. Das weiß auch Anna Wilken. Die deutsche Influencerin, bei der Endometriose dia- gnostiziert wurde, ist seit November 2018 in Kinderwunschbehandlung. Nach sieben unterstützten Reprodukti- onsversuchen und einer Fehlgeburt im letzten Jahr blickt sie noch immer hoff- nungsvoll in die Zukunft. Tipps gibt sie nur ungern: „Weil das Thema so indivi- duell ist. Jedem hilft etwas anderes. Mir selbst tut es gut, darüber zu reden und mich nicht zu verstecken“, so die 25-Jäh- rige. Die Strapazen merkt sie: „Gekop- pelt mit der Geduld, die man braucht, sind die Nebenwirkungen der Hormo- ne sehr anstrengend. Das Hoffen und Bangen ist nicht immer leicht. Ich habe mir aber von Beginn an die Hilfe eines Psychologen gesucht.“ Gemeinsam statt einsam. Ein Kinderwunsch ist immer auch Bezie- hungssache und kann Paare vor eine Zerreißprobe stellen. Damit das über- haupt gar nicht erst so weit kommt, rät Gutmann einem Paar Folgendes: Es ist keine Schande, medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Manchmal ist es sogar die einzige Chance. ä moments 4/2021 27 COVERSTORY

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