moments Magazin 1-23

Coverstory FOTOS: MARTIN ECKER, DEAGREEZ / ISTOCK /GETTY IMAGES PLUS der „Instagram Faces“. Durch die Filter werden die Gesichter in ein Schema gepresst, plötzlich sehen alle gleich aus. Wer aus der neuen Norm tanzt, wird ausgegrenzt. „Social Media vermittelt eine Pseudo-­ Individualität. Jeder soll anders sein, dennoch sollen alle gleich aussehen. Das ist ein kompletter Widerspruch, der kommuniziert wird. In Wirklichkeit ist es eine Gleichmacherei“, so der Grazer Psychiater. Wie man sich am besten aus dieser Blase befreien kann? Indem man den Konsum reduziert, keine Filter mehr verwendet und nur den Personen folgt, die einem ein positives Gefühl vermitteln. Erste Schritte. Ob Instagram- und Snapchat-Filter wirklich eine Dysmorphie auslösen können, ist noch nicht geklärt. Eine im US-Fachblatt „JAMA Facial Plastic Surgery“ erschienene Studie zeigt jedoch, dass es Zusammenhänge geben könnte. Fakt ist jedoch, dass Social Media und ein exzessiver Selfie-Wahn Störungen triggern und verstärken können. Instagram hat zumindest schon einmal auf Kritik reagiert: Mit Ende 2019 wurden Schönheits-OP-Filter verboten. „Plastica“, „Bad Botox“ oder „Fix Me“ ließen Nutzer wie frisch aus dem Operationssaal aussehen – inklusive strichlierter Markierungen, die auf Problemzonen hinweisen, und blauer Flecken. Zahlreiche TikTok-Stars und Influencer haben außerdem schon Gegentrends hin zu mehr Realität auf Social Media gestartet und zwar mit vollem Erfolg. Und auch Manuela ist auf dem Weg der Besserung. Sie hat sich in psychiatrische Behandlung begeben und beginnt langsam, aber sicher wieder zu ihrer natürlichen Schönheit zurückzufinden. Weg vom unnatürlichen Ideal hin zur ungefilterten Wahrheit. Und wenn wir uns ehrlich sind, gibt es eigentlich nichts Schöneres. v Mädchen und junge Frauen leiden sehr unter unerreichbaren Idealen. „SELFITIS“. Unter „Selfitis“ versteht man den Drang, ständig Selfies knipsen zu müssen. Wie geht man als ästhetische Medizinerin bzw. als plastischer Chirurg am besten mit Kunden um, die wie ihr modifiziertes Selfie aussehen möchten? Wir haben gegenüber unseren Patientinnen eine sehr große Verantwortung. Wenn die Veränderungswünsche aber anatomisch nicht machbar bzw. aus ästhetischer Sicht nicht vertretbar sind, lehnen wir Behandlungen ab. Unser Anspruch auf eine positive Veränderung und mehr Wohlbefinden steht außer Frage, solange ein gesundes Maß an Natürlichkeit erhalten bleibt. Was früher Topmodels waren, sind jetzt Filter: Woher kommt der Hype? Jede Generation hat ihre eigenen Schönheitsgötter, derzeit sind eben Filter im Trend. Diese sind aber definitiv einer Person nachempfunden, die das derzeitige Ideal erfüllt. Vielleicht sind es sogar die Kardashians. Es ist spannend, denn die Menschen wollen im eigenen Ich bleiben, aber eben in einer modifizierten Variante. Welche Körperteile stehen am meisten im Fokus, wenn es um den Wunsch nach Perfektion geht? Bei den Frauen ist es definitiv das Gesicht, gefolgt von der Brust und dem Po. Im Gesicht selbst sind es Augen, Nase und Mund. Wie reagieren Sie auf Frauen, die ganzheitlich unzufrieden sind? Wenn für uns Indizien einer Körperdysmorphen Störung erkennbar sind, versuchen wir, in einem Gespräch den Spagat zu schaffen, Patientinnen zu einer psychiatrischen Behandlung zu bewegen. Denn ohne ein gesundes Maß an Selbstwahrnehmung ist es für uns einfach nicht möglich, Patientinnen nachhaltig glücklich zu machen. Thomas Rappl Plastischer, Ästhetischer und Rekonstruktiver Chirurg Simone May Allgemeinmedizinerin mit Schwerpunkt auf Ästhetik www.ma-ra.at G U T Z U Wissen 1 2 3 SNAPCHAT. „Viny“ nennt sich der Snapchat-Filter, der die Lippen roter und voller, die Augen größer, die Nase schmaler und das Gesicht fast schon animehaft wirken lässt. Zusätzlich gibt es einen unnatürlichen Glanz-Effekt. NATÜRLICH. Ohne Bearbeitung, Effekt, Filter und Co.: So sieht das Gesicht von moments-Redakteurin Cornelia Scheucher auf einem herkömmlichen Handy-Selfie aus – fotografiert auf einem Modell von Samsung. INSTAGRAM. Kardashian-­ Lippen, Foxy Eyes und hohe Wangenknochen verspricht der Instagram-Filter „Glam baby“ von Sasha Soul. Die Grafikdesignerin hat in den vergangenen Jahren zahlreiche beliebte Filter entworfen. SELBSTTEST FOTOS: PRIVAT, DIE ABBILDEREI 20 moments 1/2023 E X P E R T E N Tipp Martin Ecker Psychiater www.nibelungenpraxis.at NACHGEFRAGT Was ist eine Körperdys- morphe Störung? Eine psychiatrische Erkrankung, die üblicherweise den somatoformen Störungen oder den Zwangserkrankungen zugeordnet wird. Dabei kommt es zu einer zwanghaften Beschäftigung mit dem eigenen Aussehen. Hervorzuheben ist eine krankhafte Fixierung auf einzelne Körperteile wie zum Beispiel das Gesicht, wobei Körpermerkmale stark übersteigert bis wahnhaft verzerrt wahrgenommen werden. Daraus ergeben sich Folgeprobleme wie Isolation, ein großes Schamgefühl, soziale Ängste, Depressionen bis hin zur Sucht. Welchen Einfluss haben die sozialen Medien? Instagram und Co. transportieren einfach komplett unrealistische Körperbilder. Das verändert die Wahrnehmung der User. Wie hoch stehen die Erfolgschancen bei einer professionellen Behandlung? Das kommt ganz auf den Schweregrad der Erkrankung und die Bereitschaft zur Behandlung an. Bei einer starken Störung ist es natürlich schwieriger. Bei den meisten funktioniert es aber gut. moments 1/2023 21

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