moments Magazin 7-23

Coverstory Coverstory äußere Faktoren. Das bestätigt Schlinter-Maltan: „Das Thema ist komplex. Bei den einen steigt der Blutzucker bei einer Portion kaum an, bei anderen eher stark. Körperlicher Stress, psychischer Stress, all diese Faktoren sind schwer zu vereinheitlichen.“ Und auch im Familienalltag wird die Methode wahrscheinlich an ihre Grenzen stoßen. Snack Time. Pittino und SchlinterMaltan sind sich einig, wenn es darum geht, den Glukose-Haushalt alltagstauglich positiv zu beeinflussen. Ausgewogene Mahlzeiten mit hochwertigen Kohlenhydrat-Quellen dürfen am Tisch nicht fehlen, dazwischen wird das Snacken reduziert, beginnend bei den ganz 20 moments 7/2023 FOTOS: VERENA SCHEIBLBAUER FOTOS: ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS / FIREWORKS_PIXELS, GETTY IMAGES / E+ / SKYNESHER Reden wir kurz über den Zucker und seine Klischees. Wie stehst Du diesem Energielieferanten gegenüber? Das Interessante beim Zucker ist, dass es uns gar nicht so sehr um den Geschmack geht, sondern um dieses Wohlgefühl, ausgehend von unserem Hirn, unserem aktivierten Belohnungszentrum. Einfach- und Zweifachzucker vermitteln uns genau dieses Gefühl innerhalb weniger Minuten. Ein Stück Schokolade hilft schon und uns geht es kurzfristig besser. Ist natürlicher Zucker eigentlich gesünder als industriell hergestellter? Man darf nicht vergessen, dass Saccharose, wie wir sie etwa in Schokolade finden, auch aus einer natürlichen Quelle stammt, aus der Zuckerrübe oder dem Zuckerrohr. Die Frage ist eher, warum Zucker überhaupt bei Produkten zugefügt wird. Wegen des Geschmacks, als Konservierungsmittel bei Marmeladen, als Farbstoff bei Wurstprodukten, und damit wir mehr davon essen. Süßigkeiten machen nicht satt, der Blutzucker steigt und fällt, mein Hirn signalisiert mir Hunger, obwohl meine Zellen voll sind mit Energie. Gibt es eine ideale Mahlzeit? Wichtig ist, dass unsere Hauptmahlzeiten eine hochwertige Kohlenhydrat-Quelle haben – das können Vollkornweizen, Reis, Kartoffeln oder Nudeln sein und auch Protein, weil es uns sättigt. Kombiniert mit gesunden Fetten, aus Fischen und Nüssen. Das Verlangen nach schneller Energie sinkt. Wenn wir 80 % unserer Ernährung hochwertig gestalten, verkraften wir die restlichen 20 % problemlos. Was leider immer mehr verloren geht, ist achtsames Essen: der bewusste Fokus auf das, was wir zu uns nehmen. Caroline Schlinter-Maltan Geschäftsführerin Büro für Ernährung www.buero-fuer-ernaehrung.com GUT ZU Wissen den Einfachzucker, den Zwei- und den Mehrfachzucker, je nach Kettenlänge. Einfachzucker als schneller Energielieferant schießt direkt in die Zellen und macht etwa im sportlichen Kontext Sinn. Im Gegensatz dazu bestehen Mehrfachzucker aus vielen aneinandergereihten Bausteinen. Der Körper kann diese Bausteine nur einzeln verarbeiten und muss dazu die Kette an Bausteinen runterbrechen. Was dazu führt, dass der Blutzucker langsam ansteigt, ein Plateau erreicht und langsam wieder abfällt. Anders als beim Einfach- oder Zweifachzucker kommt es aber nicht zu Ausschlägen.“ Weitreichende Konsequenzen. Die Folge einer Achterbahnfahrt unseres Blutzuckerspiegels? Heißhungerattacken, schlechte Haut und sogar Depressionen. „Man weiß, dass es zwischen Magen und Darm ein komplexes Nervengeflecht gibt, das Signale ins Gefühlszentrum des Hirns schickt. Und da bewirkt der schnelle Zucker, dass wir uns schnell gut fühlen.“ Gerade bei Kindern, die ihre Emotionen offenkundiger ausleben, ist dieser Effekt deutlich im Alltag zu beobachten. Line Pittino, Ernährungspädagogin und selbst zweifache Mutter, erzählt: „Ein ruhiges Sitzenbleiben ist dann sehr schwer für die Kinder, sie haben den Drang, durch Bewegung die zu viel aufgenommene Glukose wieder abzubauen bzw. zu verbrauchen.“ Ein natürlicher Reflex, der zu Konzentrationsstörungen und Leistungsabfall im Schulalltag führen kann. Revolution. Jessie Inchauspé, die sich auf Instagram „Glucose Goddess“ nennt, hat mit ihrer Methode inzwischen 2,6 Millionen Follower auf Instagram und Leser weltweit in ihren Bann gezogen. Ihre Glukose-Tricks stellen sofortige Besserung in Aussicht: darunter weniger Entzündungen im Körper, besseren Schlaf, einen ausgewogenen Hormonhaushalt, bessere Laune. Ihr Zugang ist einfach, praxisnah und wissenschaftsbasiert. Definitiv aber nicht neu. Schlinter-Maltan: ä KOHLENHYDRATE SIND WICHTIGE ENERGIELIEFERANTEN IN UNSERER ERNÄHRUNG. SIE BESTEHEN AUS ZUCKERMOLEKÜLEN UND LASSEN SICH IN DIE FOLGENDEN DREI GRUPPEN EINTEILEN: EINFACHZUCKER. Dazu zählen Traubenzucker (Glukose) und Fruchtzucker (Fruktose). Sie strömen sofort ins Blut und sind schnelle Energielieferanten. Gerade für sportliche Höchstleistungen kann man sich die Wirkung gut zunutze machen. ZWEIFACHZUCKER. Zu den Disacchariden gehören Haushaltszucker, Malzzucker und Milchzucker. Sie bilden die Basis vieler Süßspeisen und Getränke, enthalten viel Energie, aber nur wenig Nährstoffe. MEHRFACHZUCKER. Sie findet man vor allem in Getreide, Vollkornprodukten, Kartoffeln und Hülsenfrüchten. Sie lassen den Blutzucker nur langsam ansteigen, weil sie vor der Aufnahme ins Blut erst aufgespalten werden müssen. Im Alltag liefern sie langfristig Power. Süße Fakten GUT GELAUNT. Ein ausgeglichener Blutzuckerspiegel schafft auch emotionale Balance. „Ich erinnere mich an die sogenannte Glyx-Diät, die sich auf den Glykämischen Index bezieht, Lebensmittel nicht nach Kalorien definiert und die Auswirkungen auf den Blutzuckerspiegel beachtet. Trends beruhen oft darauf, dass gewisse Lebensmittelgruppen komplett weggelassen werden. Die Gefahr dabei ist stets, dass man das Gefühl hat, auf etwas verzichten zu müssen.“ Individuell. Die fast schon kultartigen Glukose-Hacks versprechen sogar mehr Genuss beim Essen. So sollen grünes Gemüse vor der Mahlzeit, ein Esslöffel Apfelessig in einem großen Glas Wasser maximal 20 Minuten vorab wie auch Bewegung nach dem Essen Glukose-Spitzen verringern. Aus der Forschung weiß man allerdings, dass es nicht die eine Lösung für alle gibt. Manche Lebensmittel lösen individuell unterschiedliche Blutzuckerspitzen aus, jeder Körper reagiert anders, auch auf GEMEINSAM. Die Sinne für gesunde Kohlenhydrate sollten früh geschärft werden.

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