SHEWORKS 8-23

SheWORKS | 2023 57 56 SheWORKS | 2023 LIFESTYLE LIFESTYLE Harold Cohen. Der Begriff „Digitale Kunst“ wurde erstmals Anfang der 1980er Jahre verwendet, als Computeringenieure ein Malprogramm entwickelten, das von dem bahnbrechenden digitalen Künstler Harold Cohen verwendet wurde. Dieses Programm wurde unter dem Namen AARON bekannt, eine Zeichenmaschine, die Kritzeleien in Schwarzweiß entwarf. Seit diesem frühen Ausflug in die künstliche Intelligenz hat Cohen das AARON-Programm immer weiter verfeinert, da die Technologie immer ausgereifter wurde. Edmond de Belamy. Noch nie von diesem Grafen gehört? Kein Wunder, denn dieser Herr ist fiktiv. Von seinem Porträt bis hin zu seinem Stammbaum ist er das Produkt des französischen Künstlerkollektivs „Obvious“. Das aristokratisch anmutende halbfigurige Porträt eines Mannes, dessen Gesichtszüge unscharf sind, wurde programmiert. Das Gemälde wurde 2018 bei Christie’s in New York als erstes Kunstwerk, das von KI generiert wurde, um 432.500 Dollar versteigert. Dieses Mensch-Maschinen-Bild entstand mithilfe einer mathematischen Gleichung, der sogenannten Generative Adversarial Networks (GANs). GANs sind selbstlernende Algorithmen, die in diesem Fall aus einem Pool von rund 15.000 vorgegebenen Porträts aus den unterschiedlichsten Epochen gefüttert wurden und so das Porträt des Edmond de Belamy entstehen ließen. Next Rembrandt. 2016 entstand ein brandneuer Rembrandt. Doch wie soll das gehen, ist der bedeutende Künstler doch seit 1669 nicht mehr unter uns. Gefüttert aus Daten von 346 RembrandtGemälden entwickelte ein Team aus Programmierern, KI-Experten von Microsoft, Kunsthistorikern und anderen Wissenschaftlern an der Universität Delft ein Gemälde aus dem 3D-Drucker à la Rembrandt. Aus den gewonnenen Daten konnten Algorithmen der Arbeitsweise und des Stils des Meisters generiert werden, sodass das Bild in seinem Stil hervorgebracht werden konnte. Details wie Kleidungswahl, Gesichtsproportionen, Materialität, Farbauswahl oder Licht- und Schattenwirkung lassen sogar Experten staunen. Doch Rembrandts große Meisterschaft lag in den festgehaltenen Emotionen seiner Porträtierten, seinem expressiven Pinselstrich. Die KI war hier nicht innovativ, sie konnte seinen Stil zwar überzeugend nachahmen, weil sie mit seinen Ideen gefüttert wurde. Dass das Ergebnis dennoch verblüffend ist, lässt sich nicht leugnen. FOTOS: 2023 NATIONAL GALLERY OF ART FOTOS: DEMAERRE, R_TYPE/ISTOCK/GETTY IMAGES PLUS Um das KI-generierte Bild zu schaffen, mussten wir eine große Anzahl der Rembrandt-Gemälde studieren, um eine Datenbank zu erstellen. Emmanuel Flores Technischer Leiter The Next Rembrandt Hätten Sie Leonardo da Vincis „Ginevra de’ Benci“ erkannt? Die Dame links entsprang vor über 500 Jahren der Hand des italienischen Renaissancemeisters mit Öl auf Leinwand, die Dame rechts hingegen entstand in wenigen Sekunden durch Eingabe von Stichworten mithilfe von AI. Die Innovation, das kritische Reflektieren auf die Gegenwart und eigenständige Ideen gehören zu den großen Kritikpunkten an der KI. Was stets schön und ansprechend ist, ist schließlich nicht gleich Kunst. Ein Bild entsteht nicht einfach aus dem Nichts. Es braucht einen Input, also etwas, woraus die KI schöpfen und ihren Output generieren kann. Der Input stammt von enorm viel Datenmaterial. Kunst als Reflexion. Seit es Menschen gibt, schaffen sie Kunst. Von der Höhlenmalerei über den Bau von gotischen Kathedralen zur Entdeckung der Zentralperspektive bis hin zu Innovationen der Materialien. In der Kunst werden immer auch Themen der Gesellschaft verarbeitet, kritisch beäugt, Fragen aufgeworfen. Um kritisch zu sein, muss selbst gedacht werden, doch denkt die KI selbst? Was früher Wochen oder Monate dauerte, woran Peter Paul Rubens mit einer ganzen Werkstätte gearbeitet und wofür Raffael zahlreiche Vorstudien gezeichnet hatte, dauert jetzt einige Sekunden. Außerdem kann jeder gemütlich zu Hause auf der Couch mit einer einfachen App Kunstwerke erschaffen, während vor Jahrhunderten die Schöpfung eines Gemäldes vom Anschaffen des Pigments über die Idee des Künstlers hin zum getrockneten Bild ein langwieriger Prozess war. Die KI generiert schlussendlich selbstständig, ihr Denken beschränkt sich aber auf die Auswahl an Daten, die ihr zur Verfügung stehen. Und Denken bedeutet schließlich weit mehr als das bloße Sammeln von Informationen. Freund statt Feind? Gerade jene, deren Arbeit gefährdet scheint, stehen der Technologie kritisch gegenüber. Aber kann KI anstatt als großer Feind von Kreativen auch als Hilfsmittel gedacht werden, etwa beim Kolorieren von historischen Fotoaufnahmen, was mit ihrer Hilfe nur wenige Sekunden dauert. KI arbeitet allerdings mit Durchschnittswerten, wenn also ein Künstler entscheidet, einen Himmel etwa in einem Kunstfilm pink zu malen oder wenn wie im Pointillismus der Hintergrund aus zahlreichen farbigen Punkten zusammengesetzt ist, wird die KI das nicht verstehen und stattdessen einen Durchschnittswert annehmen: Himmel blau, Wiese grün, Sonne gelb-rötlich. ä

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