SHEWORKS 8-23

Teilzeitfalle. 30,5 Prozent der Beschäftigten arbeiten hierzulande Teilzeit: 12,6 Prozent davon sind Männer, 50,7 Prozent Frauen. Österreich hat damit die zweithöchste Teilzeitquote in der EU, nur in den Niederlanden ist sie noch höher. Hauptgrund ist die Betreuung der Familie. Laut Statistik Austria gaben immerhin 80.900 unfreiwillig teilzeitbeschäftigte Frauen an, mehr arbeiten zu wollen. Damit liegt ein riesiges Potenzial brach. Denn bei den Bildungsabschlüssen – mit Ausnahme der Lehre – liegen Frauen vorne. Mehr Mädchen als Jungen machen die Matura. Der Anteil der Frauen mit einem Hochschulabschluss liegt mit 19,9 Prozent ebenfalls über jenem der Männer von 16,3 Prozent. Mehr Vollzeitarbeit würde vielen Frauen nicht nur eine größere finanzielle Unabhängigkeit und bessere Karrierechancen eröffnen, sondern wäre auch eine Lösung, um den Arbeitskräftemangel zu lindern. Ländervergleich: Wo verträgt sich Familie und Beruf? Der Rat der EU hat ein klares Ziel: Bis 2030 sollen 45 Prozent der Unter-Dreijährigen in Krabbelstuben und Kindergärten sein. Davon ist Österreich aber noch meilenweit entfernt. Die derzeitige Betreuungsquote liegt hierzulande gerade einmal bei 29,1 Prozent – ganz zur Unzufriedenheit vieler Unternehmer. Denn während diese um Fachkräfte ringen, können vor allem Frauen aufgrund mangelnder Nachmittags- betreuung häufig nicht 40 Stunden arbeiten und gleichzeitig ihrer Betreuungspflicht nachkommen. Der Arbeitskräftemangel in Österreich ist also auch hausgemacht. Dass es auch anders geht, zeigt der Blick in den hohen Norden. Eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts EcoAustria untersuchte die Vereinbarkeit von Beruf und Kindern in den 27 EU-Ländern plus Schweiz und Norwegen. Schweden und Dänemark führen das Ranking ex aequo an, doch auch Nachbarland Slowenien liegt uns mit dem dritten Platz weit voraus. Österreich bringt es nämlich nur auf den 20. Rang. 60 Prozent der 25- bis 49-jährigen Teilzeitbeschäftigten gaben hierzulande an, wegen der Kinderbetreuung nicht mehr Stunden für die Arbeit aufbringen zu können. In Dänemark sind es hingegen gerade einmal 4,5 Prozent, in Schweden 23 Prozent. Institutionelle Kinderbetreuung ist bewiesenermaßen ein starker Hebel, um Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gewährleisten, doch Österreich hinkt hinterher. Kinderbetreuung wird Gesetz. In Tirol hat man dieser Tage einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem zweiten Lebensjahr angekündigt. Bis 2026 soll dafür die nötige Infrastruktur geschaffen werden. SPÖ, Neos und Grüne setzen sich schon länger für den Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ein. Und auch die ÖVP lenkte ein: Die Bundesregierung versprach kürzlich 4,5 Mrd. Euro für den Kinderbetreuungsausbau. Bundeskanzler Karl Nehammer hat einen Ausbau der Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr bis 2030 angekündigt. Vermutlich ist der Sinneswandel nicht zuletzt den Zurufen von Arbeitgebervertretern geschuldet. Denn hier scheinen die Sozialpartner ausnahmsweise trotz unterschiedlicher Motive an einem Strang zu ziehen. WKÖ-Präsident Harald Mahrer sieht eine Chance, den Arbeitskräftemangel zu lindern. Die Arbeiterkammer will verhindern, dass sich Frauen zwischen Familie und Karriere mit finanzieller Unabhängigkeit entscheiden müssen. Auch an Oberösterreich geht die Debatte nicht vorbei. Im nationalen Vergleich schneidet das Industriebundesland unterdurchschnittlich ab. Ein Beispiel präsentiert AK-Präsident Andreas Stangl: „In Oberösterreich sind 58 Prozent der Krabbelstuben weniger als acht Stunden täglich geöffnet, in den anderen Bundesländern, ohne Wien, sind es 31 Prozent.“ Allerdings ist das nur die halbe Wahrheit, wie das Beispiel FOTOS: EVA MANHART / APA / PICTUREDESK.COM, ANDRESR / E+, KIEFERPIX / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS, FAMVELD / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS COVERSTORY Wenn es um Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht, werden Jobangebote von Bewerbern inzwischen genau unter die Lupe genommen. „Vor allem für Frauen ist das ein entscheidendes Kriterium bei der Wahl des Arbeitgebers“, weiß Kathrin Kühtreiber-Leitner, Vorstandsdirektorin bei der Oberösterreichischen Versicherung. Das Unternehmen wurde heuer von der Arbeitgeber-Bewertungsplattform kununu zum familienfreundlichsten Arbeitgeber in der Kategorie „Versicherungen“ gewählt. Benefits wie flexible Arbeitszeiten, innerbetriebliche Kinderbetreuung, Homeoffice oder eine betriebliche Altersvorsorge gaben den Ausschlag für die Platzierung. Auch bemerkenswert: Knapp ein Drittel der Väter nutzte im Vorjahr die Möglichkeit zur Väterkarenz oder zumindest für einen Papamonat, erzählt KühtreiberLeitner. Damit liegt man deutlich über dem österreichischen Schnitt. Bei acht von zehn Paaren gehen Männer weder in Karenz, noch beziehen sie Kinderbetreuungsgeld. Zehn Prozent der Väter nehmen die Karenz nicht länger als drei Monate in Anspruch. Nur zwei Prozent der Väter in Partnerschaften unterbrechen ihre Erwerbstätigkeit für drei bis sechs Monate, lediglich ein Prozent länger als ein halbes Jahr, zeigt eine Studie der Arbeiterkammer aus dem Jahr 2022. Teilzeit-Republik Österreich. Mit guter Kinderbetreuung und einem ausgeglicheneren Karenzsystem könnten auch in Österreich mehr gut ausgebildete Frauen mehr als 20 Stunden arbeiten, sind Experten überzeugt. Aktuell befinden sich immer mehr Frauen aufgrund einer mangelnden flächendeckenden und adäquaten Kinderbetreuung in der ä Verschwendetes Potenzial: Frauen sind in der Regel besser ausgebildet als Männer, dennoch arbeiten 50,7 Prozent der erwerbstätigen Frauen Teilzeit – der zweithöchste Wert in Europa. Ein ausgeglicheneres Karenzsystem würde mehr Chancengleichheit schaffen: Nur zwei Prozent der Väter in Partnerschaften unterbrechen ihre Erwerbstätigkeit für drei bis sechs Monate. Bundeskanzler Karl Nehammer hat einen Ausbau der Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr bis 2030 angekündigt. Kinderbetreuung ist ein starker Hebel, um Verein- barkeit von Familie und Beruf zu gewährleisten. COVERSTORY SheWORKS | 2023 9 8 SheWORKS | 2023

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