moments Magazin 9-22

72 moments 9/2022 Life FOTOS: EFENZI/ISTOCK/GETTY IMAGES PLUS, PRIVAT Unsere Gesellschaft bezeichnet sich gerne als liberal: Sind wir das auch beim Thema Nacktheit? In den letzten Jahren gab es auf jeden Fall eine gewisse Neutralisierung und Entsexualisierung von nackten Körpern. Nacktheit erregt, regt aber nicht mehr so sehr auf wie früher. Das beste Beispiel ist der Minirock, der mittlerweile gesellschaftsfähig geworden ist und auch von Menschen getragen wird, die vielleicht nicht den klassischen Schönheitsidealen entsprechen. Ich glaube ein Problem ist, dass nicht alle Körperformen gleich repräsentiert werden, wie zum Beispiel Behinderte oder ältere Menschen. Es wäre sehr wichtig, die Vielfalt der menschlichen Körper zu zeigen. Stichwort Sexualisierung: Woher kommt diese „Angst“ vor weiblichen nackten Körpern? Das ist nach wie vor dem Sexismus geschuldet. Frauen sollen aufreizend sein, aber nicht zu viel zeigen. Der weibliche Körper provoziert und wird damit zum Schlachtfeld, auf dem politische Kämpfe ausgetragen werden. Wird sich das je ändern? Eine Veränderung findet auf jeden Fall statt. Und es rücken auch andere Körper, beispielsweise non-binäre oder Transgender, immer mehr ins Licht der Öffentlichkeit. Viele Menschen fühlen sich nackt nicht wohl: Welche Tipps haben Sie? Das Besondere am eigenen Körper zu finden. Es ist unmöglich, frei von Normen zu sein, aber es hilft, den eigenen Körper in seiner Individualität zu schätzen. Und dankbar zu sein, dass er gesund ist und funktioniert. Darauf kommt es nämlich an. Ulrike Paul Systemische Einzel-, Paar- und Familientherapeutin, Sexualtherapeutin und -Pädagogin www.ulrikepaul.at G U T Z U Wissen auch weitaus offener mit der eigenen Sexualität um. Das selbst gewählte Umfeld in Form von Freunden und Partnerschaften kann ebenfalls seinen Teil dazu beitragen. Schämen Sie sich? Wobei man dem Schamgefühl nicht unrecht tun darf – es ist nämlich durchaus wichtig und richtig. Einerseits unterscheidet uns die Scham von allen anderen Lebewesen dieser Erde, andererseits hat sie unser Überleben gesichert. Das soziale Miteinander ist für den Menschen lebensnotwendig, durch das Verbergen der Genitalien wurde dieses quasi gewährleistet. So wurden nicht nur Rivalitätskämpfe verhindert, sondern auch gefährliche Situationen. Während des Sexualaktes sind beide Partner in einem derartigen Hormonrausch, dass sie ihre Umwelt nicht mehr klar wahrnehmen können. Passierte dies öffentlich, gab man sich verwundÖFFENTLICH. Mit FKKStränden oder Saunas gibt es öffentliche Plätze, an denen Nacktheit kein Tabu, sondern ein Muss ist.

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